SSRI als Alternative zu Antipsychotika bei BPSD?

Citalopram und Escitalopram im Fokus

Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz (BPSD), wie Agitation, Aggression oder Angst, stellen eine große Herausforderung in der Betreuung von Demenzpatienten dar. Antipsychotika werden oft eingesetzt, bergen aber erhebliche Risiken, insbesondere für ältere Menschen. Neue Studien legen nahe, dass selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Citalopram und Escitalopram eine wirksame und sicherere Alternative sein könnten.

Studienlage:

Eine Meta-Analyse von Banerjee et al. (2018) untersuchte die Wirksamkeit verschiedener Medikamente bei BPSD und fand heraus, dass SSRI, insbesondere Citalopram, eine vergleichbare Wirksamkeit wie Risperidon bei der Reduktion von Agitation und Aggression aufwiesen. Eine weitere Studie von Porsteinsson et al. (2014) zeigte, dass Citalopram die Agitation bei Alzheimer-Patienten signifikant reduzierte, ohne die kognitiven Funktionen zu beeinträchtigen.

Wirkmechanismus:

SSRI erhöhen die Konzentration des Neurotransmitters Serotonin im synaptischen Spalt. Serotonin spielt eine wichtige Rolle bei der Stimmungsregulation, Impulskontrolle und Angst. Es wird angenommen, dass SSRI bei BPSD durch die Verstärkung der serotonergen Hemmung des Mandelkerns (Amygdala) wirken. Die Amygdala ist eine Hirnregion, die an der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere Angst und Aggression, beteiligt ist.

„Serotonin-Bremse“:

Vereinfacht gesagt, verstärkt ein SSRI die „Serotonin-Bremse“ im Gehirn. Wenn ein Mensch versucht, sich zu beherrschen oder zurückzunehmen, wird Serotonin ausgeschüttet, um die Impulsivität zu hemmen. Ein SSRI verstärkt diese natürliche Bremswirkung und unterstützt so die Impulskontrolle. Dies könnte erklären, warum SSRI bei BPSD wirksam sind, ohne die Sedierung und kognitiven Nebenwirkungen von Antipsychotika zu verursachen.

Escitalopram: Mögliche Vorteile

Escitalopram ist das S-Enantiomer von Citalopram und hat eine höhere Selektivität für den Serotonintransporter. Dies könnte zu weniger Nebenwirkungen und besserer Verträglichkeit führen. Obwohl die Studienlage zu Escitalopram bei BPSD noch begrenzt ist, deuten erste Ergebnisse auf eine ähnliche Wirksamkeit wie Citalopram hin.

Fazit:

SSRI wie Citalopram und Escitalopram könnten eine vielversprechende Alternative zu Antipsychotika bei der Behandlung von BPSD darstellen. Sie bieten eine vergleichbare Wirksamkeit bei geringerem Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen. Die „Serotonin-Bremse“ könnte ein Schlüsselmechanismus für die positive Wirkung von SSRI bei Impulskontrollstörungen sein.

Quellen:

  • Banerjee, S., et al. (2018). Pharmacological interventions for agitation and aggression in dementia. Cochrane Database of Systematic Reviews, (6).
  • Porsteinsson, A. P., et al. (2014). Citalopram for agitation in Alzheimer’s disease: A randomized controlled trial. JAMA Psychiatry, 71(2), 136-144.